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Interview: Schaltschränke werden kompakter, dezentraler und vernetzter

Die Schaltschranktechnik und die dazugehörige Peripherie haben in den letzten Jahren eine starke Nachfrage erfahren. Wie die Digitalisierung von Schaltschränken voranschreitet und welche Vorteile sie bietet, erläutert Jürgen Lampert, CEO von Bürklin Elektronik, im Markt&Technik-Interview.

Die Schaltschranktechnik hat bei Bürklin Elektronik einen hohen Stellenwert. Vorweg gefragt, wie groß ist der Markt für Schaltschrankkomponenten?

Über die Höhe des Volumens bei den Schaltschrankkomponenten liegen keine exakten Informationen vor. Schätzungen gehen aber von einem verbauten Materialwert im Schaltschrankbau von rund 30 Mrd. Euro aus. Der Schaltschrankmarkt ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Wir erhalten Informationen von unseren Partnern, dass der Gesamtmarkt für Schaltanlagen allein in den letzten fünf Jahren eine Wertsteigerung von 30 bis 40 Prozent erfahren hat.

Wie tragen Sie diesem wachsenden Markt Rechnung?

Um unseren Kunden hohe Qualität weltweit anbieten zu können, arbeiten wir sehr eng mit Premium-Herstellern wie Wago, Harting, Phoenix Contact, Panduit, HellermannTyton, Sepa, Finder, LappSchneider Electric und vielen anderen zusammen, deren Komponententechnologie und vor allem Innovationsfähigkeit entscheidend für den Erfolg auch der kommenden Jahre sein wird. Generell ist festzustellen, dass ein grundsätzlicher Wandel dahingehend stattfindet, dass elektromechanische Komponenten durch moderne digitalisierungsfähige Komponenten ersetzt werden.

Welcher Mehrwert lässt sich über ein gutes Schaltschrankkonzept erzielen?

Grundsätzlich erzeugen moderne Schaltschränke Mehrwerte in den Bereichen Energieeffizienz, Ausfallsicherheit und Taktung. Die Komponenten sind standardisiert, hochzuverlässig, energieeffizient und sehr lange verfügbar. Gleichermaßen entstehen Mehrwerte zum Beispiel auch durch platz- und kostensparende Komponenten, durch Zusatzleistungen für die gesamte Prozesskette der Schaltschrankerstellung und die Daten, welche den digitalen Workflow begleiten.

Bürklin Elektronik CEO Jürgen Lampert im Interview mit Markt&Technik zum Thema Schaltschranktechnik und Komponenten

Zur Person

Jürgen Lampert
Jürgen Lampert ist seit Februar 2022 Chief Executive Officer (CEO) bei Bürklin Elektronik. Mit seiner Bestellung steht erstmals in der Unternehmensgeschichte ein familienfremdes Mitglied an der Spitze des Familienunternehmens.

Den Serienschaltschrank gibt es schon seit über 60 Jahren. Die Komponenten, die zum Einsatz kommen, sind oft Standardkomponenten. Was macht also den Unterschied aus?

Eine ausgewogene und vor allem sinnvolle Skalierbarkeit der angebotenen Lösungen in Bezug auf den Schaltschrank und der darin verbauten Komponenten macht aus dem Schaltschrank die berühmte „eierlegende Woll-Milch-Sau“. Der Sinn besteht darin, nicht alles technisch Denkbare und Mögliche in diesem zu verbauen, sondern nur eine genau auf die Applikation zugeschnittene Ausstattung, mit der Möglichkeit der absehbaren Erweiterung, umzusetzen. Weiterhin findet eine zunehmende Modularisierung der Funktionseinheiten in den Schaltschränken statt, Stichwort „funktionales Engineering“. Diese Einheiten werden dann abschließend miteinander verschaltet. Das spart Zeit und ist einfach und schnell anpassbar. Im Großen und Ganzen obliegt das unseren Zielkunden, welche die Schaltschränke planen. Durch die DIN-Schiene als Montagemöglichkeit und unzählige verschiedene Komponenten ergibt sich eine ungeahnte Variantenvielfalt, die immer wieder mit neuen Produkten der Hersteller erweitert werden. Die Innovation besteht hauptsächlich in neuen Komponenten und Technologien und der Einbindung in Schaltschrankkonzepte. Hierbei ist eine Miniaturisierung oder Zusammenfassung verschiedener Funktionen bereits als Innovation anzusehen.

In der ganzen Diskussion sollten wir aber nicht vergessen, dass der Schaltschrank den klassischen Schutzraum elektrotechnischer Komponenten wie Steuerungen, industrielle IT sowie Schaltgeräten bietet. Die Hülle, also der Schrank an sich, muss ebenfalls den sehr unterschiedlichen Anforderungen der Anwendung genügen und für das richtige Klima sorgen. Ein modulares Schaltschrankkonzept kann auch durch Zusatzmaßnahmen, zum Beispiel für den Einsatz in Erdbebengebieten, den Anforderungen gerecht werden. Das funktioniert meistens, allerdings nicht immer. Grenzen ergeben sich beispielsweise bei Gehäusen für die mobile, so genannte rollende Bahnanwendung oder bei militärischen Anwendungen.

Wie haben sich die Anforderungen im Bereich des Schaltschranks über die letzten Jahre verändert?

Grundsätzlich kann man sagen, dass Schaltschränke zunehmend kompakter, dezentraler und vernetzter werden. Es gibt mehr Geräte, Strom- und Netzwerkfunktionalitäten. Und Schaltschränke sind kleiner geworden. Denken Sie an Stichworte wie Modularisierung, Miniaturisierung und Remote-I/O. Es steht weniger Platz und Fläche zur Verfügung. Schaltschränke sind oft tief in das Gesamt-Design von Maschinen und Anlagen integriert und übernehmen gleichzeitig auch andere Funktionen als tragendes Teil der Anlage. Durch die steigende Anzahl elektronischer Komponenten auf geringem Raum im Schaltschrank kommt zudem der elektromagnetischen Verträglichkeit eine stärkere Bedeutung zu. Es gibt modulare, EMV-gerechte Kabelführungen für den Schaltschrankbau und solche, die auch die letzten Ecken ausnutzen oder mit zwei Ebenen arbeiten, wie z.B. das System ‚Panduct Panel Max System‘ von Panduit mit signifikanten Rauschunterdrückungswerten.

Ebenfalls sehen wir heute bei Kunden und Herstellern wesentliche Anforderungen bei den Arbeitskosten und dem größer werdenden Problem des Fachkräftemangels. Das gesamte Digital-Datenmanagement und die hieraus resultierenden Leistungen wie Software-Schnittstellen und Anbindungen stellen Anforderungen an alle Installateure und Nutzer, die vor 20 Jahren so nicht präsent waren.

Natürlich hat sich auch das Thema Kennzeichnung im Schaltschrank verändert. Und vergessen wir nicht den zunehmenden Anspruch an Remote-Funktionen, klare Bedienbarkeit und Wartungsfreundlichkeit.

Der Schaltschrank ist also insgesamt viel komplexer geworden?

Definitiv. Und nahezu keine Industrie, kein Haushalt kommt mehr ohne Schaltschränke aus. Dieses betrifft sowohl die verwendeten Komponenten als auch die Technologie als solches. Wir als Bürklin Elektronik müssen deshalb das passende Produkt für alle Eventualitäten bieten.

Ein großes Feld ist die Sicherheit. Was gilt es diesbezüglich zu beachten?

Hinsichtlich der IT-Sicherheit ist festzustellen, dass wesentlich häufiger Datenverbindungen wie z. B. Industrial Ethernet im Schaltschrank verbaut werden. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Anforderungen an funktionale Sicherheit und Prävention gegen Angriffe von außen einen hohen Stellenwert einnehmen. Sicherheit spielt natürlich auch eine Rolle bei Ausfallsicherheit, im Bereich Bauartnachweis, Vorschriften, Wärmeberechnung, Kurzschlussberechnung, Betriebssicherheit oder Erdung.

Neben der Sicherheit für das Schaltschrankkonzept selbst kommt auch die Sicherheit für den Benutzer zum Tragen. In Deutschland ist alles in Normen und Vorschriften gefasst, diese einzuhalten, ist Voraussetzung für Betriebssicherheit und Vermeidung von Gefahren sowie Garant für einen reibungslosen Betrieb bei unseren Kunden. Panduit hat zum Beispiel mit dem ‚VeriSafe‘ ein System entwickelt, welches das Risiko elektrischer Gefahren minimiert, indem es die Spannungsfreiheit des Schaltschranks überprüft. Im Vergleich zu bisherigen tragbaren Testinstrumenten prüfen Anlagenbetreiber und Maschinenbauer so deutlich schneller, ob ein elektrisch sicheres Umfeld vorliegt.

Bürklin Elektronik bietet hochwertige Produkte für den Schaltschrankbau
„Schaltschränke werden kompakter, dezentraler und vernetzter.“

Ein wichtiger Bereich ist auch die Verdrahtung bzw. Anschlusstechnik. Welche Technologien gewinnen hier an Bedeutung?

Es gibt verschiedene Anschlussmethoden für die Verdrahtung, vom klassischen Schraubklemmenanschluss über Zugfeder- oder Push-In Systeme. Alle haben ihre Daseinsberechtigung und unterscheiden sich im Preis, in der maximal zugelassenen Stromstärke, dem Zeitaufwand der Verdrahtung oder ob Werkzeug benötigt wird. Die Federanschlusstechnik ist aber heute der Standard und hat die Schraub-Anschlusstechnik fast abgelöst. Sie bietet die höchste Sicherheit bei schneller und sicherer Verarbeitung in verschiedenen, anwendungsgerechten Betätigungsarten. Im Fokus steht dabei eine möglichst schnelle, werkzeuglose und gleichzeitig betriebssichere Anschlusstechnik. Bei Phoenix Contact sind das zum Beispiel die Push-in und Push-X Typen. Gleichzeitig bietet die automatisierte oder vollautomatische Bestückung von Teil-Bereichen wie Tragschienen, Montageplatten, Kabelkanälen und die Roboter- oder Cobot-gestützte oder vollautomatische Verdrahtung zusätzliches Potential.

Wie hat sich der Bereich der Entwärmung im Schaltschrank weiterentwickelt? Welche Rolle spielen Kühlkonzepte, aber auch die Auswahl der richtigen Komponenten im Vorfeld?

Das Thema Erwärmung und die Wärmeberechnung werden immer wichtiger. Deswegen werden auch schon in kleineren Schränken mehr und stärkere Lüfter eingesetzt. Außerdem kommen zum Beispiel auch Kabelverschraubungen mit Belüftungsmembranen zum Einsatz, um die Wärme abführen zu können. Auch erfahren verlustleitungsarme Schaltschrank-Komponenten im Augenblick eine hohe Nachfrage. Phoenix Contact bietet dafür zum Beispiel besonders effiziente Schaltschrankstromversorgungen an.

Heutzutage lassen sich thermische Berechnungen vorab simulieren und die jeweiligen Maßnahmen ableiten. Deshalb gibt es eine Menge an Komponenten zur Klimatisierung. Das kann heißen: Beheizung, Kühlung und Entlüftung. Auch die Luftfeuchte spielt eine große Rolle und kann über Temperatur oder Luftaustausch reguliert werden. Außerdem haben energiesparende EC-Lüfter Einzug in den Schaltschrank gehalten; die Geräuschentwicklung wurde verringert und Temperatursensoren erfassen die Messgrößen für eine bedarfsgerechte Lüftersteuerung.

Im Zuge immer voller und kompakter werdender Schaltschränke ist das Leistungs- und Klimamanagement ein großes Thema. Durch die Temperaturunterschiede bei Abwärme von Komponenten und der Außentemperatur kann sich der Schaltschrank zu sehr erhitzen oder schädliche Feuchtigkeit bzw. Kondenswasser bilden. Hier gilt es im Schaltschrank ein stabiles und optimales Klima zu halten. Klimakomponenten werden immer gefragter, unabhängig davon, für welche Applikation der Schaltschrank entwickelt wurde.

Wie wichtig ist es, die verschiedenen Komponenten, aber auch Technologien aus einer Hand anbieten zu können – Stichwort Technologieoffenheit?

Unsere Kunden wollen sich nicht mehr um alle Einzelheiten kümmern, sondern möglichst eine Komplettlösung bekommen. Für viele unserer Hersteller wie zum Beispiel Phoenix Contact ist das grundsätzlich ein Türöffner. Dabei ist es aber wichtig, dass die Einzelkomponenten systemisch aufeinander abgestimmt sind. Anwender schätzen es sehr, wenn zum Beispiel das Zubehör, wie Beschriftungs-, Prüf- und/oder Brückenmaterial, vielfältig und produktübergreifend verwendet werden kann. Bürklin Elektronik sorgt mit der Bevorratung für eine reduzierte Lagerhaltung und Zeitersparnis beim Schaltschrankbauer.

Gibt es Aspekte im der Schaltschranktechnik, die häufig unterschätzt werden?

Als Teilaspekt kann hier sicher das Problem der Verwechslung von Anschlüssen bei mehreren gleichen oder ähnlichen Komponenten, bei der Endkundenmontage oder im Servicefall, erwähnt werden. Und gerade hier hilft die Ausgestaltung der steckbaren Anschlüsse in der Art, dass eine Verwechslung nicht möglich wird, wie eine mechanische Kodierung, unterschiedliche Kombinationen bei modularen Anschlüssen, Steckverbindungen und ähnliche Maßnahmen. Gehen wir in die Belüftung, werden auch Luftfilter zur Kühlluftansaugung und die regelmäßige Wartung der Filter häufig unterschätzt.

Unterschätzt wird ebenso der Effizienzgedanke! Im klassischen Schaltschrankbau findet gerade ein Umdenken dahingehend statt: vom Engineering bis zum funktionsgeprüften Fertigprodukt soll ein lückenloser und möglichst effizienter Daten- und Materialfluss existieren. Hierdurch lassen sich enorme Kosteneinsparungen erreichen, die weit über das übliche Maß von Preisreduzierungen bei Einzelkomponenten hinaus gehen.

Und der Fachkräftemangel wird von unseren Herstellern und Kunden leider unverändert betont. Erwähnen möchte ich auch den Bauraum im Schaltschrank. Dieser wird im Verhältnis zum eingesetzten Material immer kleiner. Gerade die jetzt benötigten größeren Leitungsquerschnitte haben aber bei den Wärmeverlusten einen erhöhten Platzbedarf. Technologien haben alle ihr Für und Wider – hier von Unter- oder Überschätzung zu sprechen wäre etwas zu kurzgefasst. Ein „Aspekt“ ist allerdings die Versorgung mit physischer Ware für den Schaltschrank. Durch die letzten Krisen und Allokationen sowie der Einfluss auf Rohstoff-Verfügbarkeit und Lieferwege haben wir erlebt, wie wichtig es ist, mit verlässlichen Partnern zusammenzuarbeiten, um den Markt auch in schwierigen Zeiten bedienen zu können. Deswegen sollte die Produktverfügbarkeit als Solches nie unterschätzt werden, denn ohne Grundkomponenten für den Schaltschrank läuft in der Schaltschranktechnik gar nichts.

Pressekontakt

Thomas Hinze-Clausen

Head of Marketing & Communication

thomas.clausen@buerklin.com

+49 89 55875-265

Anschrift

Bürklin GmbH & Co. KG
Grünwalder Weg 30
D-82041 Oberhaching

Telefon: +49 89 55875-0
Fax: +49 89 55875-421
E-Mail-Adresse: info@buerklin.com

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